erneuerung kraftwerk schils
Nach einer rund vierjährigen Bauzeit ist das Wasserkraftwerk Schils in Flums aufwendig modernisiert und grösstenteils neu gebaut worden. Aufgrund der weitreichenden Erneuerung des Kraftwerks Schils, in welche die SAK rund 37 Mio. Franken investierte, steigert sich die durchschnittliche Jahresproduktion des Kraftwerks um gut 20 Prozent. Das Wasserkraftwerk Schils ist heute das drittgrösste Wasserkraftwerk im Kanton St. Gallen und versorgt rund 11'200 Haushalte mit Strom.
Das Wasserkraftwerk Schils ist ein Bauwerk mit einer über hundertjährigen Geschichte. Die frühere, alte «Kraftwerkszentrale Sägengüetli» wurde 1899 zeitgleich mit der «Zwischenstufe Pravizin» zur Elektrifizierung der Flumser Spinnerei Spoery errichtet. Über die Jahre hinweg, wurde die Anlage kontinuierlich ausgebaut. 2009 stellte Spinnerei aber aus wirtschaftlichen Gründen den Betrieb ein. Die Immobilien und die Kraftwerke wurden an die Firma Inobas AG verkauft, welche wiederum einen Käufer für die Kraftwerksanlagen suchte. Im Jahr 2014 übernahm dann die SAK das Kraftwerk und verpflichtete sich im Rahmen der Konzessionsübernahme, die bestehenden Anlagen zu sanieren und energietechnisch im Rahmen der bestehenden Gesetze möglichst gut auszunutzen. Die bestehenden Grundlagen wurden hinterfragt, verschiedene Varianten wurden verglichen und mit verschieden Stakeholdern (Kanton, Anwohnern, Dorfbach-Kraftwerkbesitzern und Umweltverbänden) diskutiert und vor Ort begutachtet.
es werde licht – das elektrizitätswerk spoerry
Industrielle Produktion ist auf Energie angewiesen. Die Brüder Heinrich, Hans Jakob und Johannes Spoerry suchten in der Umgebung ihrer 1849 gekauften Spinnerei in Oberurnen im Kanton Glarus vergeblich nach mehr Wasserkraft. Schliesslich wurden sie durch ein Inserat in der Zeitung auf die noch ungenutzte Schils oberhalb von Flums aufmerksam. Sie nahmen Kontakt auf mit den Flumser Behörden mit dem Ziel, eine neue, grössere Baumwollspinnerei zu bauen.
Der erste Schritt bei der Planung der Spinnerei bestand für die Brüder und deren Partner darin, einen Wasserrechtsvertrag mit der Gemeinde Flums abzuschliessen. Erst danach konnte ernsthaft über den Bau der Fabrik nachgedacht werden. Am 28. März 1860 konnte dieser Vertrag unterzeichnet werden, welcher ihnen erlaubte, das Wasser des nahegelegenen Schilsbaches zwischen Pravizin und Flums-Dorf zu nutzen. Dieses Recht war allerdings nicht kostenlos, sondern an die Bedingung gebunden,100 bis 140 Arbeitsplätze für die Gemeinde bereitzustellen. Nachdem die Energiefrage gelöst war, konnte mit dem Bau der Spinnerei in Flums begonnen werden. 1866 wurde die Fabrik fertiggestellt und schon sechs Jahre später um einen Neubau erweitert. Ende der 80er Jahre verfügte die Fabrik bereits über 100'000 Spindeln und lief auf Hochtouren.
wie funktionierte die nutzung der wasserkraft der schils in dieser zeit?
Die Wissenschaft der Elektrizität war zwar bekannt, deren Anwendung mit elektrischen Anlagen aber noch nicht. Daher wurden die Spinnereimaschinen mechanisch angetrieben. Das Wasser der Schils wurde oberhalb der Spinnerei im Pravizintobel gefasst und durch einen 200 Meter langen Stollen zum Wasserhaus geführt. Von dort wurde es in einer 500 Meter langen Druckleitung auf die Spinnereiturbine geleitet. Die so erzeugte Energie wurde über horizontalachsige Transmissionswellen erst auf die verschiedenen Stockwerke der Fabrik und anschliessend mit Transmissionsriemen auf die Spinnereimaschinen übertragen. Diese funktionierten so zuverlässig, dass dieses System bis 1957 in Betrieb blieb, also so lange, bis die letzten rein mechanischen durch elektrische Maschinen ersetzt wurden. Eine Energiegewinnung dieser Art hatte allerdings den entscheidenden Nachteil, dass sie stark vom Abflussverhalten des Baches abhängig war. Bei Regengüssen floss die Schils in Strömen und man gewann einen Überschuss an Energie, welche aber nicht gespeichert werden konnte. In Trockenperioden im Sommer und im Winter war die Wasserversorgung regelmässig knapp. Um diesem Nachteil zu begegnen, wurde in den 1880er Jahren in Bruggwiti der Wald gerodet und ein Ausgleichsbecken angelegt, welches das Wasser nachts und an den Sonntagen speichern konnte. An den Arbeitstagen wurde morgens eine Stunde vor Schichtbeginn das Wasser in ausreichender Menge in die Schils abgelassen, im Pravizintobel gefasst und auf die Turbine geleitet. Auf diese Weises war eine konstante und flexible Energieversorgung möglich.
die jahrhundertwende und wirtschaftliche flaute
Einen gravierenden Einschnitt für die Energieversorgung bedeutete der Durchbruch der Elektrizität in der Industrie um die Jahrhundertwende, Durch neue technische Methoden ergaben sich eine Vielzahl neuer Möglichkeiten. Bereits ab 1893 planten die Gebrüder Spoerry den Bau eines eigenen Elektrizitätswerkes. Dies bedeutete, die Wassermengen des Schilsbaches in grossem Umfang zu nutzen. Es waren neue Wasserrechtsverträge mit der Gemeinde Flums nötig. 1899 kam ein neuer Vertrag zustande, welcher den Brüdern eine Erweiterung der Wassernutzung und den Bau einer Starkstromleitung von Pravizin bis nach Flums erlaubte. Dank dieser Übereinkunft war es möglich, das 330m hohe Gefälle zwischen Bruggwiti und Pravizin für die Erzeugung von elektrischem Strom zu verwenden. Es entstand nach und nach das heute noch bestehende System. Die traditionelle Spinnereiturbine wurde 1957 endgültig ausser Betrieb genommen und durch eine Francis-Spiralturbine in der Zentrale Neues Sägengüetli ersetzt.
Aufgrund der wirtschaftlichen Flaute in der Textilindustrie, der Marktanteilverluste und des zunehmenden Preiszerfalles musste 2009 die Spinnerei Spoerry liquidiert werden. Die Spoerry & Co. AG wurde in zwei Gesellschaften aufgeteilt, in die Innobas AG und die Spoerry 1866 AG. Im Zuge dieser Aufteilung wurde das Elektrizitätswerk zusammen mit den Immobilien in die Zuständigkeit der Innobas AG übergeben. 2013 entschloss sich die Innobas schliesslich, sich ganz auf die Bewirtschaftung der Immobilien zu konzentrieren. Die hohen anstehenden Investitionen in die Wasserkraftanlagen sowie die Komplexität des Strommarktes und die sich rasch ändernden politischen Rahmenbedingungen liessen es ratsam erscheinen, das EW an einen professionellen Anbieter zu übergeben. Im Mai 2014 wurden sämtliche Kraftwerks- und Verteilungsanlagen an die EW Schils AG übergeben und deren Aktien zu 100% an die SAK verkauft.
Durch diese Diskussionen entwickelte sich ein sehr interessantes Projekt. Die Planung umfasste Sanierungen an verschiedenen Orten entlang der gesamten technischen und baulichen Infrastruktur – realisiert wurde das Projekt schliesslich in zwei Bauphasen. Die früher aus fünf Maschinengebäuden und acht Maschinengruppen bestehende Anlage ist heute auf eine Zentrale mit zwei Maschinengruppen (Aeuli 2 MW und Bruggwiti 12 MW) reduziert worden. Neben der neugebauten Zentrale – in der heute zwei moderne Maschinensätze Strom produzieren – sanierte die SAK auch die beiden Wasserfassungen «Aeuli» und «Bruggwiti» sowie den kompletten Kraftabstieg. Die Druckleitung von der Fassung «Bruggwiti» hat eine Gesamtlänge von 4’553m, wovon rund 2'500m durch einen Stollen verlaufen. Die Druckleitung von der «Fassung Aeuli» ist mit 2’056m nur halb so lang.
beschreibung der änderungen gegenüber dem heutigen system
- Die Ausbauwassermenge der Wasserfassung Bruggwiti wurde auf 3'000 Liter pro Sekunde erhöht. Die Fischwanderung wurde wieder hergestellt und die Hochwasserentlastung verbessert.
- Die Wasserfassung Aeuli wurde automatisiert, die Ausbauwassermenge auf 700 Liter pro Sekunde erhöht und die Fassung Gallibach aufgelöst.
- Der Triebwasserweg Bruggwiti-Pravizin wurde im Herbst 2015 bis Sommer 2016 erneuert.
- Die alte Leitung Aeuli-Pravizin blieb bestehen, punktuell wurden Rodungen und Instandhaltungen der Fixpunkte und Viadukte vorgenommen.
- Die Zwischenstufe Pravizin wurde aufgelöst, es musste eine Lösung für die seltene Fledermausart (kleine Hufeisennase) gefunden werden.
- Neue Druckleitungen wurden zwischen Pravizin und Sägengüetli erstellt.
- Rückbau der Zentralen «Altes und Neues Sägengüetli» und Neubau der neuen Zentrale (Turbine Bruggwiti = 2'600 Liter pro Sekunde, Turbine Aeuli = 700 Liter pro Sekunde).
BIM-Methode
Für die Planung des Gesamtprojekts inklusive Bauleitung beauftragte die SAK AFRY Schweiz, welche beim Umbauprojekt Schils auf die innovative BIM-Methode setzte. BIM ist eine softwaregestützte Arbeitsmethode für die Planungsvernetzung im Baubereich. Die komplette «Kraftwerkszentrale Sägengüetli» wurde zusammen mit Sub-Planern, dem Bauherrn, Lieferanten und Unternehmern, gemeinsam entwickelt. Die über 60 digitalen Teilmodelle der Zentrale konnten in insgesamt sechs Kollaborations-Workshops und in 16 wöchentlich getakteten Modellaktualisierungen nach und nach verfeinert und aufeinander abgestimmt werden. BIM hat gegenüber herkömmlichen Papierplanungen klare Vorteile: sie vereinfacht die Koordination der Schnittstellen unter den verschiedenen Gewerken. Zudem kann die Detailplanung viel früher stattfinden, sodass die meisten Konflikte in der Planungsphase gelöst werden können.
Aufwendige Erneuerung
Die erste der beiden Umbauphase startete im Winter 2015/16 und umfasste die Erneuerung des Triebwasserwegs von der «Wasserfassung Bruggwiti» bis zur «Zwischenstufe Pravizin». Zwei Jahre später – im Jahr 2018 – begann die zweite Ausbauetappe, nachdem die SAK die Baubewilligung für die neue «Kraftwerkszentrale Sägengüelti» ohne eine einzige Einsprache erhielt. Dies war möglich, weil die Projektleitung im Vorfeld eng mit Umweltverbänden zusammenarbeitete und Lösungen betreffend Stromproduktionssteigerung und Erhaltung der Umwelt gefunden hat. Die alte Zentrale wurde daraufhin abgerissen und neu aufgerichtet.
Im Mai 2020 löste die SAK die «Zwischenstufe Pravizin» aus Altersgründen auf und nahm diese vom Netz. Im gleichen Zuge wurden auch die beiden rund 540m langen Druckrohrleitungsabschnitte (Bruggwiti DN1000, Aeuli DN600) im unteren Bereich der ehemaligen Zwischenstufe Richtung «Zentrale Sägengüetli» neu erstellt. Die beiden Druckleitungen reichen nun von den beiden Wasserfassungen direkt bis zur Kraftwerkszentrale. Durch die Auflösung der Zwischenstufe wird das vorhandene Gefälle heute optimal genutzt und ermöglich eine höhere Fliessgeschwindigkeit des Wassers. Die Modernisierung führte schliesslich zu einer Leistungssteigerung von 20 Prozent – von 40 auf rund 48,5 GWh im Jahr. Damit ist das Kraftwerk heute die drittgrösste Anlage im Kanton St.Gallen und kann rund 11'200 Haushalte mit Strom versorgen, das sind 2'000 mehr als vor der Sanierung. Insgesamt investierte die SAK rund 37 Mio. Franken in das Projekt und unterstützte damit auch den Produktionsstandort Ostschweiz.
Ökologische Aufwertungen
Während des Umbauprojekts realisierte die SAK auch verschiedene ökologische Verbesserungen am Fluss Schils. Unter anderem wird heute mehr Restwasser mittels saisonaler Dotierung bei der «Wasserfassung Bruggwiti» abgegeben. Gleichzeitig ist die Seitenfassung neu gebaut und um eine Fischauf- und Fischabstiegseinrichtung ergänzt worden. Die natürliche Fischwanderung ist somit in beide Richtungen möglich, was den Fischen das Finden neuer Laichplätze ermöglicht. Zudem entfernte das Projektteam das Fischhindernis bei der alten «Winterfassung Bruggwiti». Damit konnte eine Gewässerstrecke von mehr als 8 km vernetzt werden, welche sich von der «Fassung Aeuli» über die «Wasserfassung Bruggwiti» bis zum nationalen «Auenschutzgebiet Schilssand» und die verschiedenen Seitenbäche erstreckt.
Auch die Schwall-Sunk-Problematik wurde in dem Erneuerungsprojekt angegangen. Neuerdings leitet die SAK das turbinierte Wasser der «Maschinengruppe Aeuli» nach der Kraftwerkszentrale direkt nach der Schlucht-Strecke in den Schils zurück. Dadurch wird der Grundabfluss im Talschils erhöht, was einen positiven Effekt auf Schwall-Sunk sowie auf die Flora und Fauna im Schils hat. Und nicht zuletzt entfernte die SAK die kleine Wasserfassung des Seitengewässers Gallibach und stellte damit dessen natürlichen Zustand wieder her.
Im alten Kraftwerksgebäude der aufgelösten «Zwischenstufe Pravizin» hat die SAK eine Wärmeglocke montiert, damit die letzte Population der kleinen Hufeisennase-Fledermäuse im Kanton St.Gallen – bestehend aus rund 150 Tieren – weiterexistieren kann. Diese Arbeiten wurden in enger Begleitung mit dem kantonalen Fledermausbeauftragten umgesetzt. Die Tiere scheinen die neue Umgebung anzunehmen.